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Nur ein Katzensprung bis Kenia
In der Theorie stellten wir uns den Weg von Zanzibar nach Kenia und zum Kite-Surf Camp unseres Schulfreundes Daniel kurz und knackig vor: einfach die Küste entlang immer gen Norden. Die Realität sah (wieder einmal) anders aus und stellte sich abenteuerlicher dar als erwartet.
Mit einem und noch einem Dala-Dala machen wir uns ohne großartige Recherche auf den Weg nach Bagamoyo. Denn dieser Ort sieht nach einer sinnvollen Entfernung aus, scheint eher klein zu sein und liegt direkt am Meer. Fortsetzung der Strandentspannung, denken wir uns. Wir finden einen Ort vor, der auf der einen Seite sehr „einfach“ ist und auf der anderen Seite einen starken Afrika-Charme versprüht. Hier regieren Schotterstraßen, Straßenmärkte und schallende Boxen bis mitten in die Nacht. Ein Hostel in dem man über der Toilette duscht und der Nachtwächter die Zimmertür aufbrechen muss, da sie sich leider nicht mehr öffnen lässt (Eintreten wie im Actionfilm hat leider nicht geklappt). Leicht chaotisch werden wir hier, finden uns nicht richtig zurecht und brauchen ganze drei Anläufe bis wir den größten Futtermarkt tatsächlich sehen und nicht mehr daran vorbeilaufen. All das lohnt sich für unser erstes selbstgekochtes Essen seit wir Zimbabwe verlassen haben. Gigantische, nicht-gen-manipulierte Avokados, fluffiges Chiapati (Wrap-ähnliche geilomatische Teigware), mal mit Nudeln, mal mit Omlett – was will man mehr? Schlussendlich kommt der Regen und wir verbringen beinahe einen ganzen Tag unter Wellblech auf der „Dachterasse“. Lesen, schlafen, dazu braucht man keinen Strand :)
Eher unangenehm ist aber die Erkentniss, dass es keine befahrbare Straße gibt, die weiter gen Norden führt. Wir müssen zuerst zurück auf die westlich gelegene Hauptstraße und dort versuchen einen der großen Busse anzuhalten. Gesagt, getan, wenn auch nicht so einfach. Da steht man schonmal mitten in der Pampa herum und warten etwas dusselig. Für die Einheimischen war es eine willkommene Abwechslung ein paar Weiße zu beobachten. Zum Glück finden wir mal wieder einen engagierten Mitreisenden mit großem Herzen, der sein Glück von unserer problemlosen Weiterreise abhängig zu machen scheint. Dabei verstehen wir zwar nur selten, was genau vor sich geht, doch im Endeffekt brauchen wir nur im Gänsemarsch hinterher zu dackeln. Gar nicht so unangenehm :) Außerdem haben wir wieder einmal die Chance uns mit einem Einheimischen zu unterhalten. Dies mal läuft es uns dabei von Zeit zu Zeit kalt den Rücken herunter, zum Beispiel als wir erfahren, dass dieser Herr – mit dem eine Unterhaltung auf Englisch sehr schwer ist – Lehrer für Mathematik und Geschichte ist. Wenn wir ihn richtig verstanden haben. Unterrichtssprache: Englisch.
Ohje, da sieht man doch wieder die Bildung den Bach herunter gehen. Die Wahrheit ist, je mehr wir uns mit der Situation in den südafrikanischen Ländern auf unserer Reise auseinander setzten, desto mehr sorgen wir uns um diesen Teil der Erde. Bereits in Südafrika schockierten uns die Zahlen von einer Demopraphie der Bevölkerung, in der die Hälfte unter 25 Jahren ist, ein Drittel unter 15 Jahre. Gleichzeitig arbeitet ein Lehrer während seiner 41 Stunden Woche weniger als 20 Stunden. Der Rest geht zum Beispiel für Streiks drauf. Viel schlimmer sind allerdings die (un-)freiwilligen Streiks der Kinder, durch die Gemeinden ihre Anliegen durchzusetzen versuchen. „No Education befor Liberation“ lautet ihr Druckmittel, das noch aus Zeiten der Apartheid stammt. Durchschnittlich etwa einen Monat im Jahr ist ein Lehrer aber ohnehin krank geschrieben. Wie viel Zeit für Bildung bleibt da eigentlich noch? Und was passier mit dem Land, wenn diese Generation an der Reihe ist Entscheidungen zu treffen, das Land zu regieren, Ungleichheiten auszubessern und nicht zu vergrößern? Das ist Südafrika. Das Bild, welches wir hier in Tansania bekommen wirkt nicht sonderlich besser, nicht wirklich hoffnungsvoller, wenn wir auch nur unsere Augen haben um uns diesen Eindruck zu verschaffen. Sehr sehr viele Kinder, weniger Wunsch als Bürde. Ideale von hohlem, in Wahrheit wertlosem Prestige. Eine dritte Welt, die die Hand aufhält und ein Westen, der blind hineinlegt. Und nachlegt. Eine Politik, die korrupt ist und Entscheidungen trifft, die jeder anzuzweifeln weiß, dies aber nicht zu tun vermag. Und während man so darüber grübelt trifft man jede Menge freundliche Menschen. Intelligente Menschen, die neugierig sind. Wissbegierig. Hilfsbereit. Lebensfroh. Die in einem Land voller Schönheit und mit einer einzigartigen Tierwelt leben. Hin- und Hergerissen? In Afrika auf jeden Fall.
Mit Hilfe unseres kaum englisch Sprechenden Lehrers schaffen wir es schließlich nach Tanga (kein Wortwitz notwendig an dieser Stelle). Mangels Internet in Bagamoyo haben wir hier noch keine Unterkunft. Da die Flut der Taxifahrer an der Busstation aber erstmal einen Fluchtinstinkt in uns auslöst, marschieren wir los und finden auf gut Glück eine sehr gute Unterkunft. Von gleich drei Türmen in nächster Nähe trällern die Muezzin – gäbe es dafür doch mal morgens um 5:00 Uhr einen „Snooze“ Kopf :) Wir fühlen uns wohl hier, erkunden die geschäftigen Gassen, beobachten das Treiben unter unserem Balkon und verabschieden uns von Tansania.
Mit einem Bus kommt man von Tanga zur kenianischen Grenze. Trotz Einbezug des gefühlt halben Busbahnhofes schafft man es aber leider nicht uns in den richtigen zu setzen. Unter höchstem Engagement unserer Mitfahrer fährt der Bus schließlich aber noch einen kleinen Umweg, um uns an der richtigen Straße Richtung Grenze herauszulassen. Wieder einmal warten auf den nächsten Bus.
Als ein Trucker anhält um sich Obst am Straßenrand zu kaufen, wird er auf uns aufmerksam und bietet uns eine Mitfahrgelegenheit für die nächsten 30 holprigen Kilometer an. Mit besserem Englisch als unsere Reisebekanntschaft der Lehrer (so schnell werden wir über ihn wohl nicht hinweg kommen) schnattern wir fröhlich und die Zeit vergeht wie im Fluge. Wir klären wichtige Fragen wie das Wunder unserer kinderlosen (nur in konservativen Teilen der Welt gültigen) Ehe oder konkreter das „Wie“ unserer Verhütungsmethode. Schließlich bittet uns der Brummi-Fahrer zu einem Fotopäusschen um seinen Freunden ein Update über seine Mitreisenden per Facebook Feed mitzuteilen – oder setzt er es sich doch als Facebook-Profilbild? Kommt ja nicht jeden Tag vor, dass man zwei Weiße auf seiner Trucker-Koje sitzen hat :)
Kaum an der kenianischen Grenze stehen wir vor der größten – und mit Abstand dümmsten – Hürde, die wir uns bisher eingebrockt haben: wir haben nicht genug Geld für das Visum. Verwöhnt von bisherigen Grenzen, haben wir uns darauf verlassen am Grenzübergang einen Geldautomaten zu finden. Nicht hier. „Wir sind im Busch“ klärt uns der Grenzbeamte auf. Vielen Dank, so haben wir das noch gar nicht gesehen. Bestehend aus Euro, Dolar und Tansania-Schilling kratzen wir gerade mal den Wert für ein Visum zusammen. Doch Kenia will alles in einer Währung haben. Vielleicht darf einer von uns zumindest zum nächsten Geldautomaten und der andere bleibt mit Gepäck als Pfand? Dann besser nach Tanga zurück, das sei näher. Nun verzweifeln wir fast, denn aus Tansania sind wir schon ausgereist und müssten ein neues Visum bezahlen. Aber wir haben doch kein Geld! Außerdem hieße das zurück zu gehen. Wir wollen vorwärts! Wie vom Himmel geschickt, ruft uns Daniel aus Kenia an, um zu fragen wie wir voran kommen. Und er kennt die Lösung für unser Problem: mPesa. Mit seinem Handy kann er dem Grenzbeamten das Geld für unser Visum überweisen. Mehr Glück als Verstand hatten wir hier wohl, die Lektion ist jedoch gelernt! Der Grenzbeamte, Schlingel wie er ist, fordert sich noch ein paar Extra Scheinchen ein und mit einem letzten holper Bus (in Kenia Matatu genannt) und Tuk Tuk schaffen wir es schließlich nach Diani Beach. Kite Surfen, wir kommen!